Ab sofort im praktischen Online-Format, damit du uns noch weniger „real“ auf die Nerven gehen musst …
… aber natürlich bevorzugen wir es, wenn du uns trotzdem real, d.h. in Persona, auf die Nerven gehen willst!
Ich habe in einer eurer Publikationen ein böses Wort (z.B. behindert, Idiot, Schwuchtel, Neger, Weib, usw.) entdeckt, wollt ihr das nicht lieber in einen politisch korrekten Begriff abändern?
Nein.
Sprache ist gewaltsam und ein wichtiges Instrument der Herrschaft um unseren Geist zu kolonisieren. Sprache wird aber weder weniger gewaltsam, wenn wir anfangen, sie auf eine intellektualistische und akademische Art und Weise politisch korrekt zu machen, d.h. an den momentanen Zustand und den momentanen Legitimationsrahmen der Herrschaft anzupassen, noch ändert das etwas an den tatsächlichen Funktionsweisen der Herrschaft, sondern verschleiert diese vielmehr. Wenn ich etwa sagen würde, dass „Schwuchteln gestörte Wesen sind, die von ihren Perversionen geheilt werden müssen“, dann wird das Austauschen des Wortes Schwuchteln mit dem politisch korrekteren Homosexuelle nichts daran ändern, dass ich mit meiner Aussage eine bestimmte, kleingeistige und zudem sterbenslangweilige Vorstellung von Sexualität zu einer Norm erhebe, die ich anderen mit autoritären Mitteln aufzwingen wird, ebenso wie wenn ich etwa frei nach einer These in Hocquenghems Homosexuelles Verlangen (zitiert nach Wild gewordene Queers) feststelle, dass „Schwuchteln durch ihr Auftreten als solche bereits die familiäre Ordnung stören und man die Kinder vor ihnen aus dem Weg zerrt“, meine Analyse durch die Ersetzung des Wortes Schwuchteln mit Homosexuelle weder klarer wird (im Gegenteil!), noch ich damit irgendeine Herabsetzung von Homosexuellen beabsichtige. Das gleiche lässt sich etwa hinsichtlich des beinahe vollständig aus der Sprache verbannten Wortes Neger feststellen. Wenn etwa in einem Text, der sich auf die segregierte Gesellschaft der Südstaaten der USA bezieht, das Wort Neger so wie es dort verwendet wird, übersetzt wird, dann nicht weil damit schwarze Menschen heute, hier und jetzt zu legitimen Sklav*innen herabgesetzt werden sollen (was wäre das auch für ein Anarchismus?!), sondern weil dieses Wort eben spezifisch widergibt, welche soziale Stellung für Schwarze in dieser Epoche von der Gesellschaft vorgesehen war. Es durch einen politisch korrekten Begriff zu ersetzen, trägt auch dazu bei, die entsprechenden gesellschaftlichen Verhältnisse, die bis heute fortdauern, aktiv zu vertuschen.
Und was etwa das Wort Idiot angeht: Nur weil irgendwelche Vollidioten von Eugenikern, Ärzten, Sozialarchitekten und dergleichen mehr meinten, sie könnten aus der Idiotie eine wissenschaftlich-psychiatrische Diagnose machen braucht hier keiner auf die Idee kommen, dass wir uns auf solche Arschgeigen in irgendeiner Form positiv beziehen würden. Vielleicht sollten diejenigen, die beim Wort „Idiot“ gleich „Ableismus“ schreien mal besser darüber nachdenken, wem sie hier das Wort reden.
Generell diskutieren wir gerne über den Gebrauch dieses oder jenes Wortes, hören uns gerne an, warum sich Menschen von ihrem Gebrauch gekränkt fühlen mögen, usw. Wer uns allerdings im Stile jeder Sprachpolizei mit „das sagt man aber nicht“ kommt oder meint uns unterstellen zu wollen, wir würden per se Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnisse durch den Gebrauch eines bestimmten Wortes begrüßen, aufrechterhalten oder gar schaffen, der kann uns gepflegt das Arschloch lecken.
Ich glaube ihr habt an dieser oder jener Stelle vergessen zu gendern …
Vielleicht ja, vielleicht nein. Ist uns auch egal. Nicht zu „gendern“ ist ja sowieso eine Art von bösem Wort, daher gilt dafür auch alles entsprechend zuvor gesagte.
Warum stellt ihr eure Publikationen nicht alle ins Internet? Das wäre viel barrierefreier …
Ach ja? Für wen? Für Bullen und Verfassungsschutz? Sicherlich. Für irgendwelche Download-Lords, die sich hauptsächlich damit beschäftigen, virtuelle Bibliotheken, die höchstens von irgendwelchen Verwaltungsprogrammen „gelesen“ werden, auf ihren Festplatten anzulegen? Gewiss. Für jene, die sich Texte gerne von der praktischen App zusammenfassen lassen, damit sie sie nicht selbst lesen müssen. Ganz sicher. Für jene, die keinen Internetzugang haben, haben wollen oder eine Mischung aus beidem? Na die wird es wohl kaum stören. Oder denkst du, großherzig wie du bist, ganz abstrakt an alle Menschen mit Be_hinderung (ob mit oder ohne Unterstrich) – die in Zeiten des pandemischen Wahns noch um die Kategorie der Risikogruppen erweitert werden könnten –, denen das Heil der Technologie doch sicherlich Erleichterung verschaffen dürfte? Nun, wie dem auch sei. Die Logik des Internets ist bestechend, das wissen wir, so bestechend, dass sie einem die Sinne vernebeln mag und gerne mal einen gordischen Knoten in den Hirnwindungen verursacht. Aber wie du bei einem zweiten Blick sicher feststellen wirst, ist nichts davon ein besonders guter Grund dafür, Dinge ins Internet zu stellen, einiges davon ist sogar gar kein Grund. Vielleicht wäre die bessere Frage, warum wir überhaupt irgendwelche Dinge ins Netz stellen. Und die Antwort ist für uns eher ein wenig beschämend: Weil wir manchmal denken, dass wir so auch Leute erreichen, die sich in seinen Untiefen vielleicht verlaufen haben und nicht mehr so leicht herausfinden.
Und wenn dir das als Antwort nicht ausreicht: Warum denkst du, haben wir uns den Namen Maschinenstürmer Distro gegeben?